Assoziierter & Gast (Forscher)
Zentrum für Jüdische Studien
der Universität Basel
Leimenstrasse 48
4051 Basel
Schweiz
Dr. Zsolt Balkanyi-Guery, geboren 1975 in Budapest, wuchs in der Schweiz auf und studierte an der Universität Freiburg i. Üe. Theologie und Geschichte. Nach dem Lizentiat erweiterte er das Nebenfach Geschichte zum Hauptfach und promovierte 2010 an der Universität Zürich bei Prof. Carlo Moos in Allgemeiner Geschichte. Ergänzend absolvierte er nach dem Diplom für das Höhere Lehramt in Freiburg an der Hochschule St. Gallen den Zertifikatslehrgang für Schulleitungen der Sekundarstufe II und der Tertiärstufe (IWP-HSG).
Nach ersten akademischen Tätigkeiten als Assistent an den Universitäten Fribourg (bei Prof. J.B. Brantschen und Prof. U. Altermatt) war er von 2011 bis 2013 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für Kulturwissenschaft und Europäische Ethnologie der Universität Basel (Prof. J. Picard). Frühere Forschungsarbeiten am Archiv für Zeitgeschichte der ETH Zürich prägten sein Interesse an zeitgeschichtlichen und erinnerungskulturellen Fragen, mit einem Schwerpunkt auf Jüdischer Zeitgeschichte.
Parallel zur Forschung wirkte Dr. Balkanyi-Guery über viele Jahre im Bildungswesen, zunächst als Lehrer, später in verschiedenen Leitungsfunktionen an Gymnasien. Nach Stationen als Prorektor in Baden und Zuoz leitete er von 2016 bis 2021 die Neue Kantonsschule Aarau sowie die Aargauische Maturitätsschule für Erwachsene (AME). Seit 2021 steht er der Jüdischen Schule Noam Zürich als Rektor vor. Sein pädagogisches Engagement ist eng mit einem historischen und kulturwissenschaftlichen Verständnis von Bildung verbunden.
Seine Interessen gelten der europäischen Religions- und Zeitgeschichte, insbesondere den Wechselbeziehungen zwischen religiösen Traditionen, säkularer Moderne und gesellschaftlicher Erinnerungskultur. Weitere Themenfelder betreffen die Geschichte des interreligiösen Dialogs sowie die Bildungsgeschichte des 20. Jahrhunderts.
Dr. Balkanyi-Guery ist Mitglied des Stiftungsrats des Archivs für Zeitgeschichte der ETH Zürich und Präsident der GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus. Er lebt mit seiner Familie in Zürich.
“Zukunft säen” – Was jüdische Pädagogik der Welt lehren kann
Projektlaufzeit: 2025 – 2027
Das Projekt “Zukunft säen” untersucht die Bildungs- und Lerntraditionen des Judentums als eine der ältesten und zugleich dynamischsten pädagogischen Kulturen der Welt. Es fragt danach, was jüdische Pädagogik – verstanden als ethisches, dialogisches und resilientes Bildungssystem – der Gegenwart und der globalen Bildungsdebatte zu sagen hat.
Im Mittelpunkt steht die Überzeugung, dass Lernen im Judentum nicht bloss Wissenstransfer bedeutet, sondern ein Akt moralischer Verantwortung und gesellschaftlicher Erneuerung ist. Von der talmudischen Lehrtradition bis zu modernen Bildungsinnovationen in Israel, Europa und Nordamerika zeichnet das Projekt die Entwicklungslinien nach, die Lernen zu einem Akt der Hoffnung, des Widerstands und der Identitätsbildung machen.
Themen und Aufbau
Der historische Bogen spannt sich bis in die Gegenwart – von Nechama Leibowitz’ Bibeldidaktik über Jonathan Sacks’ interreligiöse Bildungsvision bis zur globalen Arbeit von Zohar Raviv. In einer Welt wachsender Unsicherheiten steht die jüdische Bildung hier paradigmatisch für eine Pädagogik, die Menschlichkeit, Dialog und Verantwortung ins Zentrum stellt.
Ziel und Relevanz
“Zukunft säen” will zeigen, dass jüdische Bildung nicht allein eine innerreligiöse Tradition darstellt, sondern ein kulturelles und ethisches Modell für pluralistische Gesellschaften. Sie erinnert daran, dass Lernen immer auch ein Akt des Widerstands gegen Gleichgültigkeit und Vergessen ist.
Das Projekt verbindet historische Tiefenschärfe mit aktueller Relevanz – insbesondere im Licht jüngster Krisen wie der Zäsur des 7. Oktober 2023, die jüdische Bildung weltweit vor neue Herausforderungen stellt. Es versteht Bildung als Saat der Zukunft, als kontinuierlichen Prozess ethischer Selbstbildung, wie ihn Emmanuel Levinas als “Säen von Zukunft” bezeichnete – ein Lernen, das aus der Vergangenheit wächst und auf Verantwortung zielt.
Antisemitismusforschung in der Schweiz – Rückblick und Neubeginn
Projektleitung: Prof. Dr. Franziska Metzger (PH Luzern), Dr. Zsolt Balkanyi-Guery
Projektlaufzeit: 2024 – 2027
Ende der 1990er- und in den frühen 2000er-Jahren erfuhr die Antisemitismusforschung in der Schweiz eine Phase intensiver wissenschaftlicher und öffentlicher Auseinandersetzung. Studien, Sammelbände und Tagungen prägten damals eine Forschung, die historische, gesellschaftliche und politische Dimensionen von Judenfeindlichkeit im schweizerischen Kontext sichtbar machte. In den vergangenen Jahren ist es um das Thema ruhiger geworden – nicht jedoch um seine gesellschaftliche Relevanz. Die jüngsten Entwicklungen haben vielmehr deutlich gezeigt, dass eine erneute wissenschaftliche Vertiefung notwendig und dringlich ist.
Vor diesem Hintergrund zielt das Projekt „Antisemitismusforschung in der Schweiz – Rückblick und Neubeginn“ darauf, den Diskurs wieder aufzunehmen und kritisch zu reflektieren. Eingeladen sind Autorinnen und Autoren, die sich um die Jahrtausendwende und seither mit dem Thema befasst haben. Die Beiträge sollen einerseits rückblickend die damaligen Forschungsansätze und Thesen beleuchten, andererseits prospektiv danach fragen, wie sich das Verständnis von Antisemitismus in der Schweiz in den letzten zwei Jahrzehnten gewandelt hat.
Im Mittelpunkt stehen Fragen nach Kontinuitäten und Brüchen in der Forschung, nach methodischen und theoretischen Verschiebungen sowie nach der gesellschaftlichen Wahrnehmung des Themas. Ziel ist es, aus der kritischen Rückschau heraus neue Perspektiven für eine zeitgemässe Antisemitismusforschung in der Schweiz zu eröffnen – im Bewusstsein ihrer historischen Tiefendimension und ihrer aktuellen politischen Dringlichkeit.
Publikation:
Die Ergebnisse des Projekts werden in einem Sammelband im Verlag NZZ Libro veröffentlicht.
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