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Nachruf - Zum Tode von Prof. em. Dr. Ekkehard Stegemann

Die Theologische Fakultät der Universität Basel trauert um Prof. em. Dr. Ekkehard Stegemann

Ekkehard Stegemann, am 8. November 1945 im ostwestfälischen Barkhausen geboren, bezog sich zuweilen darauf, dass jener Tag exakt ein halbes Jahr nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs lag. Dieser Rückbezug war bei ihm kein Zufall – sein ganzes Denken und Leben war darauf ausgerichtet, zu einer Erneuerung des theologischen, aber auch des politischen Denkens beizutragen, das sich aus der Katastrophe und vor allem aus dem Zivilisationsbruch der Shoah aufzwang.

Nach seiner Schulzeit studierte er Theologie an der Kirchlichen Hochschule Bethel und an der Universität Heidelberg, wo er nach seinem Studienabschluss von 1971-1982 als Assistent tätig war, 1974 im Fach Neues Testament mit einer Arbeit über das Markusevangelium promovierte und sich 1982 habilitierte. Das Thema seiner Habilitationsschrift wies auf die zentralen Themen seines ganzen weiteren wissenschaftlichen Lebens voraus: Der eine Gott und die eine Menschheit. Israels Erwählung und die Erlösung von Juden und Heiden nach dem Römerbrief. Damit schrieb er sich zu einem frühen Zeitpunkt in die Neuperspektivierung der Paulus-Forschung ein, die dessen Bezug zum Judentum als konstruktive Auseinandersetzung las und von der vermeintlichen Fundamentalkritik an der «Gesetzesreligion», die das Christentum über Jahrhunderte hinweg geprägt hatte, zu einem fruchtbaren und zukunftsgerichteten Dialog hinstrebte.

Im Jahr 1985, nach seiner ersten Station auf einer Professur in Bayreuth, wurde Ekkehard Stegemann an die Universität Basel berufen, wo er bis zu seiner Emeritierung 2013 das Fach Neues Testament prägte, aber auch zu einer der weithin sichtbaren Persönlichkeiten der Fakultät und der Universität wurde. Forschungsmässig blieben Paulus und insbesondere der Römerbrief sein Lebensthema, was sich in mehreren Buchpublikationen niederschlug. Als Lehrer und Betreuer wissenschaftlicher Arbeiten bildete er zwei Generationen von Neutestamentlerinnen und Neutestamentlern heran, nicht zuletzt auch solche, die heute Professuren an verschiedenen europäischen Universitäten innehaben.

Daneben widmete er sich zunehmend dem christlich-jüdischen Dialog, was sich unter anderem in der Präsidentschaft der Christlich-Jüdischen Arbeitsgemeinschaft beider Basel und in den von ihm mitinitiierten Christlich-Jüdischen Projekten spiegelte. Er scheute auch den öffentlichen und medialen Auftritt nicht und focht viele Kämpfe aus, die sich in der Regel um Fragen des Antisemitismus oder der Kritik an Israel drehten. Für seinen Einsatz in Wissenschaft und Öffentlichkeit wurde er mit der Goldmedaille «For Distinguished Leadership and Service for Humanity» des europäischen Ablegers der weltweit tätigen B'nai B'rith-Loge geehrt.

Ekkehard Stegemanns wohl bedeutendstes Vermächtnis aus seiner Basler Zeit ist die Gründung und Etablierung des Fachs Jüdische Studien an der Universität Basel. Schon in den achtziger Jahren richtete er einen regelmäßigen Lehrauftrag für Jüdische Studien ein und arbeitete später auf die Gründung der Stiftung für Jüdische Studien an der Universität Basel hin, die er von ihrer Gründung bis zu seiner Emeritierung präsidierte und die 1998 die Gründung des heutigen Zentrums für Jüdische Studien ermöglichte.

Nach seiner Emeritierung und der Neubesetzung der Professur für Neues Testament zog sich Ekkehard Stegemann weitgehend aus der Öffentlichkeit zurück und verbrachte viel Zeit ausserhalb der Schweiz, in Italien und in Deutschland, wo einer seiner Söhne lebt und er sich auch begeistert seiner Rolle als Grossvater widmete. Seit einiger Zeit schon begann ihn eine schwere Erkrankung zu zeichnen. Die letzten Wochen seines Lebens verbrachte er im Basler jüdisch-christlichen Alters- und Pflegeheim Holbeinhof, wo er am 30. November verstorben ist.

Wir werden ihm ein ehrendes, von tiefer Dankbarkeit erfülltes Andenken bewahren.